Phenole: Was (zum Bacchus) ist das?

Bild: Phenole Grafisch Dargestellt bei Weingut Graf von Weyher Pfalz
Es gibt Menschen, die lieben Chemie. Andere bekommen schon bei dem Wort »Molekül« glasige Augen und fühlen sich unangenehm an die Schulbank erinnert. Mal sehen, ob wir es schaffen, auch den Chemie-Verweigerern unter Euch die Sache mit den Phenolen so zu erklären, dass Ihr diesen Beitrag bis zu Ende lest – das ist zumindest unser erklärtes Ziel!
Denn Phenole sind für uns Winzer wahnsinnig wichtig. Eigentlich sind sie der Wein, denn sie bestimmen die Farbe, das Aroma / den Geschmack, die Textur (also wie der Wein sich im Mund anfühlt) und die Haltbarkeit. Wenn man diese vier Charakteristika wegstreicht, bleibt von einem Wein tatsächlich nicht mehr viel übrig...
Chemisch betrachtet sind Phenole eine bestimmte Gruppe von organischen Verbindungen. Im Wein gibt's davon immerhin so um die zweihundert. Vielleicht heißen sie deshalb Polyphenole, also »viele Phenole« ;-). Genau wie eine Schulklasse sind Polyphenole sehr reaktionsfreudig (sprich ständig in Verwandlung). Wir konzentrieren uns heute auf eine Untergruppe der Polyphenole, den Flavonoiden und schauen uns einige davon ein wenig genauer an.
Damit Euch nicht der Kopf auf den Tisch fällt, bleiben wir bei dem Bild mit der Schulklasse. Ihr erinnert Euch: In jeder Klasse gibt es Stars, die alle kennen und andere, die obskur in der Masse untergehen. Das ist bei den Flavonoiden nicht anders.
Die Flavone sind die Streber. Solide Basis, immer brav, unauffällig, blass, und wenn sie mit Wasser in Berührung kommen, lösen sie sich gleich auf. Ansonsten gut für alles mögliche.
Die Anthocyane sind die Künstler, die souverän mit Farbe umgehen, denn sie bestimmen die farbliche Ausprägung der Beere. Je mehr Anthocyane vorhanden sind, umso dunkler wird die Beere. So wird der Kern vor UV-Licht geschützt.
Foto: Rotweinmaische in der Gärung Weingut Graf von Weyher
Foto: Hier haben sich die Anthocyane richtig ins Zeug gelegt!
Und dann gibt es natürlich noch die Rowdys mit ihrer herben Art. Wetten, dass Ihr von diesem Flavonoid-Rowdy schon einmal gehört habt? Die Rede ist von Tannin, das vor allem den Rotwein auszeichnet. »Tanin« ist Französisch und bedeutet Gerbstoff, und genau das ist es auch. Tannin sitzt in der Traubenschale, den Kernen und Stielen. Kein Wunder also, dass der Weißwein sich damit nicht brüsten kann, denn diese Teile werden ihm von Anfang an weggenommen, während der Rotwein mit der Traubenschale vor sich hingärt und so in Ruhe seine Freundschaft mit dem Tannin entwickelt. Tannin ist geruchslos und schmeckt auf der Zunge eher bitter, sorgt aber für die geschmacklich große Ausdruckskraft im Rotwein. Auch die Catechine, von denen Ihr vielleicht schon mal gehört habt, gehören zu diesen Rowdy-Gerbstoffen (eine rivalisierende Gang gewissermaßen).
Insgesamt ist die ganze Klasse übrigens eine absolute Musterklasse, der Liebling aller Lehrer. Denn den Flavonoiden wird ziemlich viel Gutes zugeschrieben: Sie sollen entzündungshemmend, krampflösend, krebsvorbeugend und gefäßverstärkend wirken – und zusätzlich auch noch starke Antioxidantien sein, wovon man ja bekanntlich nie genug bekommen kann.
Also immer her mit dem Wein? Zu dem Thema haben sich schon viele Medizinmenschen den Kopf heiß geredet. Die Diskussion läuft übrigens unter dem lustigen Namen »Das französische Paradox.« Denn die ganze Welt fragt sich verzweifelt, warum die Franzosen, die unverschämt viel Wein trinken und fette Butter essen, circa 20% weniger Schlaganfälle als Amerikaner oder Deutsche haben. Das kann doch nicht richtig sein! Der Grund (wen wundert's nach der Lektüre dieses Newsletters) soll in den guten Eigenschaften der Flavonoiden zu suchen sein. Das allerdings ist noch nicht einwandfrei bewiesen, deshalb müssen wir vorerst noch alle selbst entscheiden, welche Mengen an Wein gut für uns sind…🍷🍷🍷
Viele flavonoide Grüße senden Euch Eure Grafen
Bild: Rotwein-Paket_Weingut_Graf-von-Weyher_Pfalz
P.S. Die Chemiker und Biologen unter Euch mögen uns verzeihen. Ja, wir haben die Sache sträflich vereinfacht dargestellt. Aber mal im Ernst - wer mag schon Chemie?
P.P.S. Und damit die Chemiker völlig wahnsinnig werdet, hier noch die Stimme aus dem »Off«:
Die einzigen Elemente, die man braucht :-)
Bild: W I Ne Elemente im Periodensystem in eigener Darstellung Weingut Graf von Weyher Pfalz

4 Kommentare


  • Hermann Müller

    Sehr schön erklärt! Wenn das mein Chemielehrer so gemacht hätte…..


  • Ilona W.

    vielen Dank für für einen so amüsanten Start in den Tag, der Bericht über die Phenole ist einfach klasse, großes Lob, das wollte ich mal rückmelden!!! 😃


  • Gabi L.

    Einfach n u r köstlich, auch dieser Beitrag wieder!!! Glückwunsch zur Darstellung komplexer Zusammenhänge und chemischer Vorgänge in so anschaulicher Form. Nur zum Freuen, wirklich. – Und frau möchte sich gleich eine Flasche Wein öffnen. 😂🥰


  • P. Höschler

    Ihr macht das wirklich ganz toll. Mit großem Interesse habe ich über die Phenole gelesen. Eine leichte humorvolle Kost die begeistert und das Verständnis von Wein fördert. Kompliment!


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